Workshops #3: Philosophy of Economics

Philosophy of Economics

Mit diesem Bericht möchten wir veranschaulichen, wie das Seminar „Philosophy of Economics“ durchgeführt wurde, was wir inhaltlich behandelt haben und was wir gelernt haben. Durchgeführt wurde der Kurs von Ivan Boldyrev, Florian Rommel und Elsa Egerer. Im ersten Teil des Seminars sind wir die philosophischen und wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Philosophie anhand von Beispielen und Betrachtungsweisen der Wirtschaftswissenschaften durchgegangen. Im zweiten Teil haben wir interaktiv und methodenreich das bisher gelernte reflektiert und dadurch unser Reflexionsvermögen geschult.

Die Mitwirkung von Teilnehmenden aus unterschiedlichen, unter anderen auch nicht ökonomischen, Fachbereichen bereicherte den Diskurs im Workshop.

Den Seminarleitenden ist es gelungen, alle Teilnehmenden mit unterschiedlichem Wissensstand einzubeziehen und einen gemeinsamen Raum für Diskussionen sowie einen Erkenntnisprozess zu ermöglichen.

Ontologie

Zur Einführung in die Thematik haben wir uns intensiv mit der Ideengeschichte der Ökonomik auseinandergesetzt. Dazu betrachteten wir die Wissenschaft von außen, um Einblicke über ihre Geschichte, Entwicklung und innere Diskurse zu bekommen. Wir untersuchten den Methodenstreit der Verhaltensökonom*innen, welche den Neoklassiker*innen vorwarfen keine realen Menschen zu untersuchen und die Rationalitätshypothese stark angriffen. Dies wurde scheinbar nicht von den Neoklassiker*innen widerlegt, welche in ihren neuesten Definitionen zu dem institutionellen Marktansatz von Adam Smith zurückkehrten, und den Anspruch aufgaben Menschen zu beschreiben. Erkenntnisreich war die Feststellung, dass sich das Objekt der Ökonomik von einer politischen Nationalökonomie zum methodologischen Individualismus wandelte. Die scheinbar einfache Frage “Was ist der Gegenstand der Ökonomik?“ hat sich nicht nur im historischen Kontext stets verändert, sondern auch in der Gegenwart kann eine eindeutige Definition nicht getroffen werden. Diese Uneinigkeit über den Gegenstand der Ökonomik spiegelt sich in dem Zitat von Jakob Viner wider: „economics is, what economists do“ . Die verschiedenen möglichen Interpretationen des Objekts stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Diese Dichotomien zeigen die Pluralität, mit der die Wirtschaft gesehen werden muss und sind Ausdruck der Notwendigkeit die aktuelle Lehre grundlegend zu reformieren.

Orthodoxie

Betrachtet haben wir insbesondere die Machtstrukturen in den Wirtschaftswissenschaften, die dazu führen, dass eine Auslegung von Theorie und Methode in Forschung und Lehre das ganze Wissenschaftsfeld dominiert. Durch die Marginalisierung anderer Denkschulen etabliert und erhält sich ein Mainstream.

Wir sind anhand von zwei Texten vorgegangen: Durch die historische Betrachtung der Radical Economists in den 70er Jahren wird deutlich, welche Rolle der Ort, in diesem Fall die Universität Harvard, auf die Wirkungskraft der Radical Economists hatte und wie sie durch die Verdrängung aus ebendiesem marginalisiert wurden. Dabei haben die Studierenden in ihrem aktiven Protest sowie in der Auseinandersetzung mit der bestehenden Lehre eine zentrale Rolle gespielt. Wir diskutierten eine Parallelen zu heutigen universitären Bewegungen bezüglich einer pluralen Lehre (Mata, T., 2009). Im zweiten Teil wurden anhand des Artikels von Fourcade (2015) die Hierarchien und Strukturen zwischen den Sozialwissenschaften und innerhalb der Wirtschaftswissenschaften näher beleuchtet.

Epistemologie

Wir haben uns zudem mit epistemologischen Fragestellungen in der Ökonomik auseinandergesetzt. Dabei war die Hauptfrage: Inwieweit ist es möglich, Gesellschaft zu modellieren?

Es gibt in der Philosophie der Ökonomik verschiedene Ansätze die versuchen, den Zusammenhang zwischen Modellen und Realität zu erklären. Inwiefern sind die Ergebnisse, die aus einem Modell herausgezogen werden können, auf die Realität übertragbar? Verschiedene Ansätze bezüglich dieser Frage begreifen Modelle unterschiedlich, wie z.B. Mäki, der Modelle als Isolierung von gewissen Aspekten der Welt (Mäki, 2009), oder Sugden, der Modelle als credible worlds (Sugden, 2000) versteht. Besonders stach die Ansicht des Ökonoms M. Friedmans heraus, welcher in Modellierungen nicht zwingend eine realistische Abbildung sieht, sondern lediglich als ein Instrument für Prognosen.

Wesentlich für neoklassische Modellbildung ist die Annahme rationaler Agenten, die es ermöglicht, berechenbare Ergebnisse zu liefern. Diese Annahme wurde häufig kritisiert. Wir haben uns mit der Kritik Shaun Hargreaves Heap (2005) Rationalität beschäftigt, laut dem viele signifikante Lücken in Theorien von rationalen Agenten existieren: für die Erklärung der Entstehung und Stabilität von Institutionen ist der Tatsache wichtig, dass Menschen auch aus Selbstwert handeln und nicht nur aus individualistischen Gründen. Außerdem wurden verschiedene Rationalitätsbegriffe besprochen wie z.B. der Unterschied zwischen Individueller und Kollektiver und zwischen Zweck- und Wertrationalität.

Um Modelle zu verstehen, ist es wichtig, nicht nur den Abstraktionsprozess, durch den Modelle konstruiert werden, und den Interpretationsprozess zu betrachten (zwei Aspekte, die in der Philosophie der Ökonomik oft analysiert werden), sondern auch die Wirkung von Modellen auf die Gesellschaft zu berücksichtigen. Modelle werden benutzt, um die Politik zu leiten und verändern somit die Realität (d.h. die Gesellschaft), die sie beschreiben wollen.

Reflexivität

In der Wirtschaftswissenschaft als Erkenntnisgemeinschaft ist die Möglichkeit der Selbstreflexion angelegt. Hierbei treten Forscher*innen metaphorisch aus dem „Kreis“ einer sich methodisch definierenden Wissenschaftspraxis heraus und erweitern somit ihre Perspektive, die zusätzlich durch Kommunikation mit anderen Akteur*innen und Beobachter*innen ergänzt wird. Die Wirtschaftswissenschaft kann sich dabei selbst zum Forschungsgegenstand machen. Hierdurch können im Idealfall Entwicklungen, wie eine Abspaltung der Wissenschaftscommunity von der restlichen Gesellschaft, aufgedeckt werden. Wir haben mögliche Lösungsvorschläge für diesen konkreten Fall entwickelt, die auf eine Wiederaufnahme des Dialogs der getrennten Sphären und den Abbau von Gräben und Mauern zielen.

Performativität

Daraufhin beschäftigte sich unsere Workshop-Gruppe mit der Thematik der Performativität. Nach einer intensiven Betrachtung des sprachlichen Begriffs wurde dieser noch zusätzlich in einer Grafik verdeutlicht [siehe Graphik]. Dabei fiel auf, dass in der Wissenschaftstheorie lediglich eine Betrachtung des formativen Charakters der Realität auf die Theorie stattfindet. Die Untersuchung der performativen Wirkung einer Theorie auf die Realität findet jedoch keinen Eingang. Eine Unterteilung in agency und structure hat uns gezeigt, dass Performativität sowohl auf agency (z.B. durch die Lehre) als auch structure (z.B. in Form von Institutionen) wirken kann. Besonders erkenntnisreich dafür ist ein Beispiel von MacKenzie bezüglich des Finanzmarktes, welcher ein Musterbeispiel eines durch Ökonom*innen designten Marktes darstellt. Somit kamen wir als Gruppe zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Wirtschaftswissenschaft um keine positive Wissenschaft handeln kann. Der Aspekt der Performativität kann in einer self-fulfilling prophecy ihren Höhepunkt finden.

 

Grafik: Performativität

 

Transformativität

Die postulierte Wert- und Moralfreiheit in den Modellen des Mainstreams, als Voraussetzung für eine deskriptive Wissenschaft manifestiert sich auch in einem wert- und moralärmeren gesellschaftlichen Zusammenleben.

Durch das Verständnis, dass die Wirtschaftswissenschaften an sich performativ und damit transformativ sind, der wirtschaftswissenschaftliche Mainstream dies jedoch ignoriert, treibt Uwe Schneidewind die Diskussion an, mit Hilfe der Wirtschaftswissenschaften die Gesellschaft zu bereichern.

 

Dieser Bericht macht die Vielfalt der Diskussion deutlich, die im Workshop "Philosophy of Economics" behandelt wurden. Die Sommerakademie Exploring Economics hat somit einen fruchtbaren Raum für philosophische Diskussionen bezüglich ökonomischen Themen für alle Workshopteilnehmer*innen ermöglicht.

 

 

 

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