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Postkeynesianismus (PKE) ist ein ökonomisches Paradigma, das auf die Arbeiten von Ökonomen wie John Maynard Keynes (1883-1946), Michal Kalecki (1899-1970), Roy Harrod (1900-1978), Joan Robinson (1903- 1983), Nicholas Kaldor (1908-1986) und vielen anderen zurückgeht. Es vertritt die Ansicht, dass das Prinzip der effektiven Nachfrage wie von J. M. Keynes in der General Theory (1936) und M. Kalecki (1933) entwickelt, sowohl auf die kurze als auch auf die lange Frist zutrifft. Das heißt, dass die wirtschaftliche Aktivität in einer kapitalistischen Geldwirtschaft bedarfsorientiert ist und dass es keine systemimmanenten Mechanismen gibt, die Vollbeschäftigung und die Vollauslastung der Kapazitäten sicherstellen.
Postkeynesianer*innen verbindet ihre Ablehnung der verschiedenen Ausprägungen der Neoklassik, die als ungeeignet für die Analyse einer monetären, kapitalistischen Wirtschaft angesehen werden. Sie eint das gemeinsame Bestreben, eine alternative ökonomische Theorie aufzubauen, die besser dafür geeignet ist, die inhärenten Merkmale der modernen kapitalistischen Wirtschaft wie Arbeitslosigkeit, (Finanz-)Krisen, Wirtschaftszyklen, Depressionen, technologischen Wandel und ungleiche Entwicklung zu analysieren.
Nach ihrem Verständnis ist die Wirtschaft von Institutionen wie Unternehmen, Gewerkschaften, Lohn- und Kreditverträgen, staatlicher Regulierung etc. geprägt. Diese Institutionen bestimmen weitestgehend das wirtschaftliche Verhalten, weshalb die PKE den makro- und mesoökonomischen Analysen eine gewisse Priorität einräumt.
Auf der mikroökonomischen Ebene unterstreicht die PKE, dass die Zukunft grundsätzlich unsicher ist. Daraus folgt, dass Individuen nicht vollkommen vernünftig handeln können, wie es die Mainstream-Ökonom*innen annehmen. Stattdessen treffen sie eher Entscheidungen, die auf Faustregeln beruhen, da letztere besser dafür geeignet sind, mit unvollständigen und komplexen Informationen zugehen. Die Faustregeln sind zudem stark durch soziale Konventionen und Normen beeinflusst, die zu Stabilität (z.B. Tarifverträge, die das Preisniveau stabilisieren) sowie zu Instabilität führen können (z. B. durch Herdenverhalten auf den Finanzmärkten). Die fundamentale Unsicherheit prägt auch das Verhalten von Unternehmen, die in unvollständig wettbewerbsorientierten Märkten die Preise festsetzen können, somit als Preissetzer*innen und Mengenanpasser*innen fungieren.
PKE studiert eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen: von kurzfristiger Makroökonomie (Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsleistung und Inflation), langfristiger Makroökonomie (Wachstum und Verteilung), über Geldwirtschaft, Finanzen und dem internationalen Währungssystem bis hin zu mikroökonomischen Ansätzen wie der Theorie der Unternehmen, Theorie des Konsums, Wechselkurstheorie, Finanzierung und vieles mehr. Entsprechend bietet die PKE ein reichhaltiges Angebot an Politikempfehlungen, die sich oft erheblich von den Standardrezepten der Mainstream-Ökonomik unterscheiden. Zwei Beispiele sind der Schwerpunkt auf die Fiskalpolitik als Hauptwerkzeug, um kurzfristig wirtschaftliche Rezessionen zu bekämpfen und die Auffassung, dass Zentralbanken eine Niedrigzinspolitik verfolgen sowie das Bankensystem regulieren sollten, anstatt sich verengt auf die Inflationsbekämpfung zu fokussieren. Ein weiteres Beispiel wäre die Befürwortung von Arbeitsmarktinstitutionen, die kollektive Tarifverhandlungen fördern und einen Nominallohn festlegen, den niemand untergraben kann. Dies zwingt Unternehmen dazu, durch Qualität und Produktivität zu konkurrieren, ohne eine Deflation durch Senkung der Löhne zu bewirken.
Obgleich sie sich vom Namen her sehr ähnlich sind, unterscheidet sich Postkeynesianismus ziemlich vom klassischen Keynesianismus oder dem Neukeynesianismus. Postkeynesianer*innen betrachten den neukeynesianischen Ansatz als primär neoklassisch mit einigen Änderungen, die zu Marktunvollkommenheiten führen und die Analyse der realen Welt nicht verbessern. Trotzdem ist der Neukeynesianismus - und nicht die PKE - in der Regel das, was die Studierenden als den modernen Keynesianismus kennen lernen.
Die postkeynesianische Perspektive richtet ihren Fokus auf die kapitalistische Wirtschaftsform und ihre speziellen Merkmale. Die kapitalistische Wirtschaft kennzeichnet sich dadurch, dass sie eine monetäre Produktionswirtschaft darstellt, in der Geld (bzw. Kredit) von Banken und anderen finanziellen Institutionen an Firmen vorgestreckt wird, die dann wiederum in (Sach-) Kapital und in Arbeit investieren, um Güter und Dienstleistungen zu produzieren. Letztere werden dann von den Firmen verkauft. Die Erlöse aus dem Verkauf sind einerseits der Profit der Firmen, andererseits werden sie aber auch benötigt um die Kredite und die Zinsen für die Investitionen zurückzuzahlen. Dieser monetäre Kreislauf führt nicht nur zu einer Zirkulation von Einkommen zwischen den Hauptsektoren der Wirtschaft, sondern verbindet auch verschiedene ökonomische Einheiten wie Haushalte, Unternehmen oder Regierungen, über einen gewissen Zeithorizont durch die Struktur ihrer jeweiligen Aktiva und Passiva. Das wiederum bedeutet, dass die Analyse der Makroökonomie auf systemische Art und Weise erfolgen muss, da Geschehnisse in einem Sektor der Ökonomie Einfluss auf einen anderen Sektor haben.
Postkyeynesianer*innen betrachten kapitalistische Ökonomien als sehr produktive, aber auch sehr instabile und konfliktive Systeme. Die ökonomische Aktivität wird dabei durch die effektive Nachfrage bestimmt, die im Normalfall aber nicht hoch genug ist, um Vollbeschäftigung sowie die volle Nutzung aller verfügbaren Ressourcen zu garantieren. Fluktuationen in der effektiven Nachfrage beruhen zumeist auf Änderungen in den Investitionsausgaben, welche stark von Erwartungen beeinflusst werden. Die Erwartungen von ökonomischen Akteur*innen werden von sozialen Konventionen und von Faustregeln geprägt, weil es aufgrund der fundamentalen Unsicherheit kein sicheres Wissen über die Zukunft gibt. In Phasen, in denen die Erwartungen im Allgemeinen sehr positiv sind, kann es dementsprechend zu einer stark steigenden Investitionsnachfrage kommen, welche wiederum zu einer Phase von großem Kreditwachstum, Kapitalakkumulation und Einkommensgenerierung führt.
Neue Kredite werden geschaffen, um Investitionsausgaben zu finanzieren. Danach werden die Produktionsmenge und die Arbeitsmenge, die dem Niveau der Investitionsnachfrage entsprechen, auf dem Gütermarkt festgelegt. Das Geld, das für die Investitionen ausgegeben wird, findet sich als Einkommen auf den Einlagekonten der Haushalte und der Unternehmer*innen wieder. Dieser Prozess kann folglich als Kredit-Investitions-Einkommens Mechanismus bezeichnet werden, in dem die Investitionsnachfrage die mit ihr korrespondierenden Spareinlagen kreiert. Das Einkommen, das durch die Produktion neuer Investitionsgüter generiert wurde, erhöht zugleich die Konsumgüternachfrage. Wenn alles gut läuft, werden die Erwartungen der Akteur*innen erfüllt, sodass Zahlungsverpflichtungen erfüllt werden und die Wirtschaft wächst. Der Postkeynesianismus geht dementsprechend davon aus, dass es ein mögliches ökonomisches Gleichgewicht gibt, welches durch monetäre und reale Faktoren festgelegt ist. Jedoch können plötzliche Schwankungen der Erwartungen die Wirtschaft aus diesem Gleichgewicht reißen. Auf Boomphasen, die auf optimistischen Erwartungen beruhen, folgen dann Abschwungsphasen, die sich oft durch pessimistische Erwartungen, Verteilungskonflikte und finanzielle Instabilität auszeichnen. In der Phase des Abschwungs sinkt die Investitions- und Konsumnachfrage. Außerdem werden Einkommenserwartungen nicht validiert und es kommt zu Insolvenzen und Krisen. Diese Phasen des Auf- und Abschwungs werden als systemische Merkmale einer monetären Ökonomie angesehen und können nur durch solche Institutionen und Maßnahmen abgeschwächt werden, die Erwartungen und ökonomische Aktivität durch die Reduktion fundamentaler Unsicherheiten stabil halten.
Im Postkeynesianismus wird die Beschäftigung nicht über den Arbeitsmarkt festgelegt, sondern durch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Folglich ist es nicht der Reallohn, der das Beschäftigungsniveau festsetzt. Auf dem Arbeitsmarkt wird jedoch der Nominallohn und somit die nominalen Arbeitsstückkosten festgelegt. Diese haben wiederum einen starken Einfluss auf das Preisniveau und somit auf die Inflation sowie auf die Einkommensverteilung. Im Gegensatz zur orthodoxen Ökonomik wird in der PKÖ das Preisniveau nicht durch die Geldmenge bestimmt und die Inflationsrate wird nicht durch die Wachstumsrate der Geldmenge bestimmt. Postkeynesianer*innen betrachten die Inflation also nicht als monetäres Phänomen. Stattdessen wird die Inflation als das Resultat eines ungelösten Verteilungskonflikts aufgefasst. Dieser Konflikt ergibt sich aus den unterschiedlichen Forderungen verschiedener sozialer Klassen hinsichtlich der Einkommensverteilung. Diese Klassen sind Lohnarbeiter*innen in verschiedenen Industrien oder Sektoren, Unternehmer*innen und Rentiers (Rentiers sind Menschen, die vom Kapitaleinkommen ihres Eigentums oder ihrer Finanzanlagen leben), sowie der ausländische Sektor in einer offenen Wirtschaft. Wenn z.B. der von den Arbeiter*innen angestrebte Reallohn im Konflikt mit dem Profitmargen der Firmen steht, werden Firmen einen höheren Nominallohn durch höhere Preise weitergeben, was wiederum zu Inflation führt, wenn die Firmen über genügend Marktmacht verfügen, um die Preise festzulegen. Inflation ist also ein gängiges Resultat des Prozesses der Lohnverhandlungen in “normalen” Zeiten. Jedoch kann die Inflation auch durch plötzliche Preiserhöhungen bei Ressourcen oder bei Gütern sowie durch Abwertungen der Währung beschleunigt werden.
Das Streben nach Profiten macht den Kapitalismus zu einem dynamischen System, das üblicherweise aufgrund von Investitionen und Technologiewandel über Zeit wächst. Jedoch werden Wachstumsdynamiken stark von kurzfristigen wirtschaftlichen Entwicklungen beeinflusst, die hauptsächlich auf der Gesamtnachfrage beruhen. Die Wirtschaft entwickelt sich zudem in historischer Zeit; d.h., dass die Vergangenheit aufgrund von Pfadabhängigkeiten einen weitreichenden Effekt auf die Zukunft hat. Vorübergehende negative Schocks können also das Produktionspotential nachhaltig reduzieren. Ebenso kann eine hohe Arbeitslosenquote die inflationsstabile Arbeitslosenquote (NAIRU) nach oben ziehen und die vorübergehende Wachstumsrate kann die natürliche Wachstumsrate beeinflussen. Kurzfristige Effekte haben also einen starken Einfluss auf langfristige Entwicklungen.
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Wie die meisten wissenschaftlichen Theorien hält die PKE keine ausgearbeitete philosophische Ontologie bereit. Dennoch lassen sich Annahmen über die Existenz und die Beschaffenheit der Einheiten und Phänomene, die die ökonomische Realität ausmachen, feststellen. Auf der abstraktesten Ebene geht die PKE davon aus, dass kapitalistische Ökonomien aus sozialen Strukturen bestehen, die unabhängig von der wissenschaftlichen Betrachtung existieren (in der Wissenschaftsphilosophie wird diese Ansicht als Realismus bezeichnet). Konkreter gesagt sind wichtige soziale Strukturen die sozialen Klassen (Arbeiter*innen, Kapitalist*innen, Rentiers), soziale Institutionen (z.B. Werte, Geld, Konsumnormen, Arbeitsmarktregulierungen) und soziale Organisationen (z.B. Firmen, Zentralbanken, Regierungen). Diese sozialen Strukturen formen die Natur einer kapitalistischen monetären Ökonomie, mit der sich die Postkeynesianische Analyse beschäftigt. Postkeynesianer*innen gehen davon aus, dass in kapitalistische Ökonomien gewisse Regelmäßigkeiten auftreten, die auf kausalen Mechanismen basieren, welche wiederum durch ökonomische Analysen erfasst werden können. Allerdings wird die Ökonomie auch als dynamisches System angesehen, welches sich in permanentem Wandel innerhalb der historischen Zeit befindet. Daraus folgt, dass sich empirische Regelmäßigkeiten ändern können, weshalb ökonomische Theorien nicht als universelle Gesetzmäßigkeiten betrachtet werden können.
Postkeynesianer*innen stimmen der Auffassung zu, dass soziale Strukturen letztendlich auf menschliche Handlungen zurückgehen. Sie weisen jedoch gleichzeitig die Idee zurück, dass soziale Strukturen und makroökonomische Phänomene auf das Verhalten von Individuen reduziert werden können. Es ist vielmehr so, dass Individuen stets in einem institutionellen Kontext agieren. Dieser Kontext prägt ihre Einstellungen und Handlungen und verbindet verschiedene Typen oder Klassen von Akteur*innen miteinander. Soziale Strukturen und makroökonomische Phänomene können kausale Wirkungen auf menschliches Handeln haben, während letzteres wiederum makro-Phänomene bestimmt. Makro-(ökonomische) Phänomene können auch emergente Eigenschaften besitzen, die nicht vollkommen durch das Aggregieren von individuellem Verhalten erklärt werden können. PKE bekennt sich folglich zu einem erweiterten ontologischen Verständnis im Vergleich zum klassischen Modell der rationalen Entscheidung. Letzteres geht von einem starken ontologischen Individualismus aus, der annimmt, dass die Welt nur aus Individuen und Ansammlungen von Individuen besteht und dass nichts außer dem Individuum über Wirkmächtigkeit verfügt.
Eine sehr einfache Analogie zur Erklärung der makro-Eigenschaften kann anhand der folgenden Situation aufgezeigt werden. Wenn alle Zuschauer*innen in einem Kino aufstehen, wird niemand seine oder ihre Sicht verbessern. Wenn aber nur eine Person aufstünde, würde diese Person seine oder ihre Sicht sehr wohl verbessern. Diese Art des Denkens hat zur Entdeckung von einigen makroökonomischen Paradoxen geführt. Paradox heißt hier, dass eine Handlung, die für ein Individuum, eine Firma oder einen Staat vernünftig erscheint, zu unvorhergesehenen, negativen oder sogar irrationalen kollektiven Resultaten oder Verhalten führen kann, wenn alle Individuen, Firmen oder Staaten sich ähnlich verhalten. Folglich ist es wichtig, makro-Phänomene und ihre Eigenschaften als solches zu betrachten und sich anzusehen, wie sie individuelles Verhalten beeinflussen. Dieses Vorgehen ist auch unter dem Namen Holismus bekannt. Makroökonomische Paradoxe sind wichtige Bausteine für eine eingehende Erklärung der letzten Finanzkrise. Die wichtigsten Paradoxe sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Makroökonomische Paradoxe |
Was bedeutet es? |
Mechanismus |
Sparparadox |
Höhere Sparraten führen zu einem Rückgang in den gesamten Ersparnissen |
Wenn Menschen sparen, geben sie weniger aus. Deswegen haben Unternehmen weniger Umsatz und fahren ihre Investitionen zurück. Dadurch fällt das Gesamteinkommen und somit die gesamten Ersparnisse. |
Schuldenparadox |
Versuche, Schulden zu reduzieren können zu höheren Verschuldungsraten führen |
Wenn alle mehr aus ihrem Einkommen für das Zurückzahlen von Schulden verwenden, dann fällt das Gesamteinkommen und die Verschuldungsrate steigt. |
Stabilitätsparadox |
Stabilität ist destabilisierend |
Eine stabile Ökonomie macht die Menschen optimistischer. Das führt zu mehr Risikobereitschaft und höheren Brutto Schulden-Einkommensraten, welche Instabilität generieren. |
Quelle: Basierend auf Lavoie 2014, 18.
Hier sollte zunächst einführend klargestellt werden, dass der Postkeynesianismus über keine einheitliche Epistemologie verfügt und dass einzelne Postkeynesianer*innen unterschiedliche Meinungen in Bezug auf Wahrheit, Wissen und den Grad, wie viel Erkenntnis über die ökonomische Realität gewonnen werden kann, haben. Es gibt allerdings einige implizite Annahmen hinsichtlich der Beziehung zwischen Realität und wissenschaftlicher Erkenntnis, die als typisch für die PKE angesehen werden können.
Erstens stimmen Postkeynesianer*innen in der Ansicht überein, dass es die Aufgabe einer empirischen Wissenschaft ist, Aussagen über die Welt zu sammeln und zu systematisieren, welche die Realität so adäquat wie möglich reflektieren. Auch wenn ökonomische Modelle immer sehr stark vereinfachte Repräsentationen von echten kausalen Wirkungsmechanismen sind, so sollten sie dennoch die Hauptmerkmale der Realität so abbilden, wie sie auch wirklich existieren. Modelle, die empirische Phänomene erfolgreich beschreiben und erklären und deren Annahmen nicht den grundlegenden Beobachtungen von ökonomischen Regelmäßigkeiten widersprechen, müssen nicht unbedingt als wahr angesehen werden. Sie sind jedoch in jedem Fall “wahrer” als diejenigen Modelle, die kausale Mechanismen nicht korrekt erklären oder auf Annahmen basieren, die unsere täglichen Erfahrungen mit ökonomischen Aktivitäten und Begebenheiten nicht reflektieren.
Zweitens geht die PKE davon aus, dass die Konstruktion guter ökonomischer Theorien sowohl logisches Denken als auch empirische Beobachtung braucht. Im Gegensatz zu einer rein deduktiven Methode, die z.B. Axiome über vermeintliche universelle Regeln menschlicher Entscheidungen aufstellt und dann durch Logik konkrete Aussagen über empirische Phänomene ableitet, basiert die PKE auf empirischen Beobachtungen. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Annahmen durch Induktion, d.h. durch statistische Evidenz, begründet werden müssen. Theoretische Annahmen sollten vielmehr den grundlegenden Erfahrungen über ökonomische Phänomene und über ökonomisches Verhalten entsprechen. Darüber hinaus spielt logisches Denken eine wichtige Rolle. Auf einer sehr grundlegenden Ebene heißt das, dass sowohl die interne Konsistenz der individuellen Aussagen einer Theorie angestrebt wird, als auch die übergeordnete Kohärenz. Beispielhaft ist die Verbindung zwischen mikroökonomischen Annahmen (wie Wettbewerb, Preissetzung und dem Verhalten von Unternehmen) mit der makroökonomischen Theorie (wie beispielsweise der Festlegung der funktionalen Einkommensverteilung, also der Aufteilung des BIP auf Lohn- und Profiteinkommen). Insbesondere geht es darum, dass logisches Denken für die Ausarbeitung von ökonomische Theorien relevant ist, die mit den Verfahren der doppelten Buchführung und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung übereinstimmen müssen. Theorien, die grundlegende Merkmale der Buchführung und deren weitreichende ökonomische Konsequenzen außer Acht lassen, sind nach Ansicht der PKE fehlerhaft.
Drittens erscheint es so, als ob Postkeynesianer*innen eine gewisse Sensibilität hinsichtlich der Grenzen ökonomischen Wissens besitzen. Das zeigt sich durch die Zurückhaltung und die Bescheidenheit hinsichtlich der Vorhersagen für quantitative ökonomische Variablen (wie BIP Wachstum oder Inflation) einer dynamischen Wirtschaft, die sich im konstanten Wandel befindet. Außerdem versuchen Postkeynesianer*innen nicht zwingend jede Hypothese in einen formalen Rahmen zu integrieren. Eine solche Darstellung würde eine Form der Präzision suggerieren, die aufgrund der qualitativen Komplexität von Phänomenen wie z.B. dem Herdentrieb auf den Finanzmärkten schlicht nicht erreicht werden kann. Diese Ansicht kann mit dem Diktum zusammengefasst werden, dass es besser ist, ungefähr richtig zu liegen als präzise falsch zu liegen. Erfolgreiche Vorhersagen und die höchstmögliche quantitative Präzision werden demnach nicht als die Hauptziele von ökonomischen Theorien angesehen, weil solche Theorien nicht mit der qualitativen Komplexität und der wandelbaren Natur von kapitalistischen Ökonomien vereinbar sind. Ökonom*innen sollten sich der Grenzen des ökonomischen Wissens bewusst sein und realistische Theorien entwickeln, die eine adäquate Beschreibung kausaler Mechanismen, sowie plausible Erklärungen liefern.
Das generelle Ziel der Ökonomik ist dieser Ansicht nach plausible “Geschichten” über die Funktionsweise des ökonomischen Systems in der realen Welt zu erzählen, indem man stilisierte Fakten benutzt. Dieser Ansatz steht in krassem Gegensatz zum epistemologischen Standpunkt des Instrumentalismus, für den die Realitätsnähe der Kernannahmen nicht wichtig ist und der nur korrekte Vorhersagen treffen will.
Wie bereits weiter oben erwähnt, ist das grundlegende ontologische Prinzip der PKE, wie auch von anderen heterodoxen Ansätzen, ein holistischer oder auch organistischer Ansatz. Dementsprechend vertreten auch Postkeynesianer*innen einen methodologischen Holismus. Ein gutes Beispiel für die Anwendung dieses Prinzips ist die postkeynesianische Entscheidungstheorie, in Konsumentscheidungen oder Entscheidungen, die andere Ausgaben betreffen (z.B. Investitionen in den Wohnungsbau oder Erziehung), sowie auch finanzielle Entscheidungen (z.B. Kreditaufnahme oder Portfoliozusammenstellung) zwischen Individuen stark inderdependent sind. Individuen vergleichen sich wegen der fundamentalen Unsicherheit aus psychologischen Gründen mit anderen und treffen ihre Entscheidungen auf der Basis von Faustregeln und Gewohnheiten. Solches Gruppenverhalten liegen den postkeynesianischen Erklärungen der letzten Finanzkrise zu Grunde. Aufbauend auf der Relevanz von sozialen Einflüssen auf das Verhalten hebt die postkeynesianische Theorie die Rolle von Klassen (die wichtigsten sind Arbeiter*innen, Kapitalist*innen und Rentiers) und Institutionen hervor. Das steht in krassem Gegensatz zu dem immer noch dominanten neoklassischen Ansatz des methodologischen Individualismus, in dem jede Erklärung von ökonomischen Phänomenen vom Individuum ausgehen muss.
Die PKE verwendet Forschungsmethoden, die dem Prinzip des Holismus entsprechen. Einige der prominentesten Methoden sind formale Makromodellbildung und ökonometrische Schätzungen, Stock-Flow konsistente Modelle, die auf Computersimulationen basieren, und agentenbasierte Modelle, sowie institutionelle Analysen und Fallstudien. Der Postkeynesianismus stellt seine makroökonomischen Theorien oft in formalen Modellen auf, welche die kausalen Beziehungen zwischen makroökonomischen Variablen durch strukturelle Parameter beschreiben. Die zugrundeliegenden Verhaltensannahmen, z.B. über das Konsum- oder Firmenverhalten, werden hingegen nicht genau modelliert, sondern begründen sich durch stilisierte Fakten und empirische Erkenntnisse. So kann zum Beispiel Ungleichheit in eine postkeynesianische aggregierte Konsumfunktion Einzug erhalten, indem reichen Haushalten eine geringere Konsumneigung zugewiesen wird und indem ärmere Haushalte versuchen, ihr Konsumverhalten an dem Verhalten der nächsthöheren Einkommensklasse auszurichten. Daraus folgt, dass diese Modelle über eine Mikrofundierung verfügen. Diese erfolgt jedoch nicht im Rahmen einer Optimierung unter Nebenbedingungen. Stattdessen beinhalten die Annahmen, im Gegensatz zur neoklassischen Theorie, normorientiertes Verhalten, das vom sozialen Kontext und von Institutionen geprägt wird. Einfache postkeynesianische Modelle können statisch sein und sich auf die Effekte der marginalen Änderung einer Variable auf einem Gütermarkt, der sich im Gleichgewicht befindet, konzentrieren. Dynamische Modelle hingegen betrachten die Änderungen von ökonomischen Variablen über Zeit und analysieren die Stabilität oder Instabilität von Variablen, wie z.B. privater Verschuldung, in einem stationären Zustand. Solche Modelle können die zuvor erwähnte systemische Natur des Kapitalismus einfangen und instabile und dynamische Prozesse abbilden.
Stock-Flow konsistente Modelle (SFCs) sind ein weiterer Ansatz der postkeynesianischen formalen makro-Modellbildung, der in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Der wichtigste Aspekt dieser Modelle ist, dass sie Verhaltensgleichungen, die aus der postkeynesianischen Theorie kommen, in einen Rahmen von stringenten Bilanzierungsregeln integriert werden (hier sollte angemerkt werden, dass Stock-Flow Modelle nicht nur von einer Denkschule verwendet werden). Die grundlegende Logik der Anwendung von Bilanzregeln ist, dass jedes Aktiva das Passiva eines anderen ist und dass jeder Geldzufluss, der Geldabfluss eines anderen ist. Folglich sorgt ein SFC Rahmen dafür, dass alle realen und finanziellen Zu- und Abflüsse, sowie alle Lagerbestände umfangreich mit aufgenommen werden und zu ihrem Ursprung zurückverfolgt werden können. SFC Modelle passen also sehr gut zu dem holistischen methodologischen Ansatz der PKE und die umfangreiche Verwendung von Bilanzregeln kann Informationen über Zusammenhänge liefern, die sich allein aus den Bilanzverschiebungen ableiten lassen und daher weniger Verhaltensannahmen bedürfen. So fungieren z.B. einige Variablen als Anpassungsvariablen, die dafür sorgen, dass die Budgetrestriktionen aller Agent*innen oder Sektoren gleichzeitig erfüllt werden. Das ist von einer posteynesianischen Perspektive aus wichtig, da sich die Analyse, wie oben bereits erwähnt, auf eine monetäre Ökonomie bezieht. Inzwischen gibt es eine große Anzahl an SFC Modellen, die sowohl relativ kleine Modelle, die sich analytisch lösen lassen, als auch große und komplexe Modelle, die numerisch gelöst werden, beinhaltet.
Eine relativ neue Entwicklung ist die Verbindung von SFC Modellen mit Agentenbasierten Modellen (ABMs). Diese Kombination erlaubt Eingliederung von diversen Agent*innen in postkeynesianische Modelle. Agentenbasierte Modelle sind Computersimulationen mit heterogenen Agenten und können dafür verwendet werden, auftauchende Resultate, die sich aus individuellen Interaktionen herausbilden, sowie die Auswirkungen dieser Resultate auf die Individuen, zu analysieren. Die Methodologie eines ABM unterscheidet sich deutlich von der des repräsentativen Agenten, da erstens der Status eines einzelnen Agenten im Lauf der Simulation keine Information über den Status und das Verhalten des gesamten Modells gibt und zweitens, da Zeit eine wichtige Rolle spielt. Daraus folgt, dass ABM Modelle eine vielversprechendes Unterfangen sind, welches eine Mikrofundierung für die emergenten makro-Merkmale von postkeynesianischen Modellen bilden könnte.
Auf der Meso-Ebene bedient sich die PKE der institutionellen Analyse und der Erzählmethode (storytelling method). Institutionelle Analysen beschreiben die Struktur, die Wirkungsweise und die Verbindungen zwischen ökonomischen Institutionen und Organisationen, sowie die Regelmäßigkeiten und Tendenzen, die aus diesen Interaktionen hervorgehen. So kann eine institutionelle Analyse der Banken und der Zentralbank zum Beispiel Klarheit darüber schaffen, wie Geld kreiert wird, wie Zinsen festgesetzt werden und wie die Zentralbank die kurzfristigen Interbankenzinssätze (z.B. der LIBOR, die Federal Funds Rate) mit den Instrumenten der Geldpolitik beeinflussen kann. Daraus lässt sich eine Erklärung der Effekte von Geldpolitik und ihrer Möglichkeiten und Grenzen ableiten (z.B. wieso Zentralbanken nicht die Geldmenge kontrollieren können, aber sehr wohl Erfolg darin haben, die kurzfristige Refinanzierungssätze zu beeinflussen). Außerdem können anhand einer solchen Analyse verschiedene Geldsysteme verglichen werden. Dieser Ansatz kann dann wiederum verwendet werden, um ökonomische Phänomene zu erläutern. So kann z.B. die Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 als Resultat von längerfristigen strukturellen Änderungen im Finanzsektor verstanden werden. Obwohl solche institutionellen Analysen auf einzelnen empirischen Fällen beruhen und üblicherweise keine formale Komponente beinhalten, so können sie doch allgemeine Erklärungen über ökonomische Schlussfolgerungen über Verhalten und Vorkommnisse liefern. Außerdem können sie makroökonomische Modelle ergänzen, die selbst nicht in der Lage sind, weitreichende Erklärungen über die zugrundeliegenden Institutionen und die Verhaltensweisen bereitzustellen, welche makroökonomische Resultate generieren.
Die PKE-Theorie selbst ist im Prinzip mit einem breiten Spektrum von Ideologien oder Zielen vereinbar. Ein bisschen auf die Spitze getrieben könnte man sagen, dass die PKE einerseits einen analytischen Rahmen einer sozialistischen Politiker*in bilden kann, die den Kapitalismus überwinden will; oder andererseits ein Instrument für eine*n prokapitalistische*n Investmentbanker*in sein kann, um das wirtschaftliche Umfeld zu analysieren. Die PKE eignet sich für unterschiedliche Ideologien, denn ihr Hauptziel ist es, die Dynamik kapitalistischer Systeme aus makroökonomischer Sicht zu verstehen, unabhängig davon, ob man den Kapitalismus aufrechterhalten oder überwinden will. Dennoch hat jede*r Wissenschaftler*in eine bestimmte Ideologie, die er oder sie bei der Bewertung einer Theorie anwendet.
Postkeynesianismus ist nicht stark oder eindeutig mit einer größeren politischen Bewegung verbunden. Man kann jedoch sicher sagen, dass Postkeynesianer*innen im Allgemeinen nicht danach streben, den Kapitalismus zu beseitigen. Stattdessen wollen sie ihn zähmen und streben ein Wirtschaftssystem an, das einen Mittelweg zwischen Liberalismus und Sozialismus bildet. Daher lassen sich zentrale weltanschauliche Grundlagen und politische Ziele vieler Postkeynesianer*innen auch in der historischen Entwicklung des sozialdemokratischen Gedankengutes wiederfinden, welches auch die Aussicht auf einen Kapitalismus hat, in dem Klassen kooperieren und der nicht zu einem Nullsummenspiel werden sollte. Viele Postkeynesianer*innen widersprechen jedoch stark den politischen Programmen, die sozialdemokratische Parteien der westlichen Industriestaaten nach der neoliberalen Wende zum "dritten Weg" in den 1990er Jahren vorlegten.
Viele postkeynesianische Ökonomen*innen sehen im sogenannten Goldenen Zeitalter oder im fordistischen Regime des Kapitalismus der 1950er bis 1970er Jahren einen historischen Präzedenzfall, über den sie ihr Streben nach einem sozial progressiven Kapitalismus begründen. Dieser Zeitraum zeichnete sich vor allem in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern durch ein stetiges Wirtschaftswachstum, eine egalitäre Einkommensverteilung, eine (nahezu) Vollbeschäftigung, ein solides Sozialversicherungsnetzwerk, eine starke Regulierung des Finanzsektors und einem aktiven interventionistischen Staat aus, der sich stärker der aggregierte Nachfragesteuerung verpflichtet sah als während der folgenden "neoliberalen Ära." Die Merkmale dieser Ära können als eine Art Prototyp für ein Wirtschaftssystem gesehen werden, welches PostKeynesianer*innen befürworten. Um dorthin zu gelangen, ist ihr übergeordnetes politisches Ziel, die Effektivität des Staates und des polit-ökonomischen Systems zu verändern. Die Frage, wie dies auf sozialer und politischer Ebene erreicht werden kann, wird in der PKE-Literatur oft nicht direkt beantwortet. Es gibt einige Versuche in der PKE, die die Frage der sozio-ökonomischen und gesellschaftspolitischen Faktoren untersuchen, welche zu gewissen Verschiebungen des gesamtwirtschaftlichen oder kapitalistischen Regimes führen können. Diese Fragen stellen jedoch nicht das Hauptanliegen der akademischen PKE-Literatur dar. Vielmehr legt die PKE fest, was auf makroökonomischer Ebene erreicht werden muss, um Instabilitäten und/oder anhaltende strukturelle Schwächen im Kapitalismus zu vermeiden. Dazu gehören u.a. Stagnation, übermäßige Inflation oder Deflation, Rezessionen sowie Finanz- und Wirtschaftskrisen. Beispielsweise argumentieren viele Postkeynesianer*innen, dass eine gleichmäßigere Verteilung des Einkommens zwischen Kapitalist*innen und Arbeiter*innen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und das Wachstum steigern und somit zu einer Steigerung der Bruttogewinne der kapitalistischen Klasse führen. Dies unterstreicht die Tatsache, dass es für die PKE keinen grundlegenden Zielkonflikt zwischen dem sozialen Zusammenhalt als politischem Ziel auf der einen Seite und dem Wachstum als wirtschaftliches Mittel zur Erhaltung eines hohen Beschäftigungsniveaus sowie zur Verbesserung der Lebensbedingungen auf der anderen Seite gibt. Da jedoch die Analyse der gesellschaftlichen Entwicklungen, die zu politischem Wandel führen im Vergleich zu spezifischen wirtschaftspolitischen Empfehlungen in der PKE von geringem Interesse ist, kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass der PKE-Ansatz für die Politik eine gewisse Affinität zur Technokratie hat. Dies trifft zu obwohl viele Postkeynesianer*innen sich den gesellschaftspolitischen Herausforderungen bewusst sind, die ihre "technischen" Empfehlungen behindern.
Die meisten postkeynesianischen Ökonom*innen würden die Idee unterstützen, ein sozial gerechteres System mit Vollbeschäftigung, niedriger Einkommensungleichheit und einem hohen Maß an individueller Freiheit zu erreichen. Während heute viele postkeynesianische Ökonom*innen erkennen, dass unbegrenztes Wachstum aus ökologischer Sicht problematisch ist, bleibt es das zentrale Instrument zur Vollbeschäftigung und kann daher als Hauptziel der PKE gesehen werden.
Die PKE favorisiert einen makroökonomischen Policy-Mix mit einer aktiven Rolle für die Fiskalpolitik, um die Wirtschaft kurz- und langfristig zu stabilisieren. Die Geldpolitik sollte auf niedrige Zinsen abzielen, um Stabilität im Währungs-, und Finanzsektor sowie der Realwirtschaft zu gewährleisten. Andere Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirtschaft könnten durch eine strikte Regulierung der Finanzmärkte u.a. durch Kreditkontrollen und vermögensbezogene Reserveanforderungen erfolgen. Zudem sollten die Zentralbanken als Kreditgeber*innen letzter Instanz fungieren. Die Lohn- und Einkommenspolitik sollte zu einem stetigen nominalen Lohnstückkostenwachstum im Einklang mit der gewünschten Inflationsrate führen. PKE-Ökonom*innen unterstützen in der Regel die Gewerkschaften, da sie einen wichtigen Einfluss auf die Tarifverhandlungen und damit auf die Preisstabilität haben. Was die internationale Wirtschaftspolitik anbelangt, so betrachtet die PKE den freien Handel nicht als vorteilhaft für ärmere Länder, solange es ihnen nicht hilft, ihre eigenen wettbewerbsfähigen Industriezweige aufzubauen. Um dies zu tun, bevorzugen Postkeynesianer*innen Kapitalkontrollen, kontrollierte Wechselkurse und den Schutz junger Industriezweige.
Im Postkeynesianismus gibt es unterschiedliche Debatten und Analysen, die in der Forschung zentral waren und sind. Der Schwerpunkt, der auf verschiedene Probleme und Forschungsbereiche gelegt wird, wird stark von den Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft, von Moden, dem Fortschritt in Computertechnologie sowie natürlichen und historischen Ereignissen beeinflusst.
Ein Bereich, in dem es in der letzten Zeit viele Beiträge gab, ist die Verwendung von ökonometrischen Studien, die untersuchen, ob ein Land Lohn-getrieben oder Profit-getrieben ist. Während in Lohn-getriebenen Ländern ein Anstieg des Lohnanteils zu einer höheren Gesamtnachfrage führt, verringert es die Nachfrage in Profit-getriebenen Ländern. Erweiterungen dieses Ansatzes untersuchen wie sich Einkommensungleichheiten, Finanzialisierung, volkswirtschaftliche Offenheit, Fiskalpolitik und andere Faktoren, auf Wachstum auswirken. Zudem sind in jüngster Zeit viele Veröffentlichungen um den Begriff Finanzialisierung erschienen. Diese Literatur beschreibt und analysiert die strukturellen Veränderungen in vielen Volkswirtschaften in denen der Finanzsektor wichtiger geworden ist. Beiträge in diesem Forschungsfeld reichen von institutionellen und deskriptiven Analysen auf der Mikro- und Makroebene, bis hin zu ökonometrischen Studien und formalen makroökonomischen Modellen. Postkeynsianische Beiträge zu der Debatte um Finanzialisierung betonen deren negative Effekte auf Investitionen, Einkommen, Verteilung und Finanzstabilität. Jedoch gibt es auch einige offene Fragen, beispielsweise in welcher Beziehung Finanzialisierung und Neoliberalismus zueinanderstehen.
Das historische Ereignis der globalen Finanzkrise erneuerte das Interesse an der financial instability hypothesis (Hypothese der Finanzinstabilität) von Hyman Minsky, um die komplexe Verknüpfung vom realen und finanziellen Sektor sowie Krisentendenzen zu verstehen. Dies wird vor allem mit dynamischen Modellen angegangen, die versuchen Minskys Ideen einen präziseren formalen Rahmen zu geben.
Das allgemeine Bewusstsein um ökologische Probleme, insbesondere um den Klimawandel, beeinflusst ebenfalls den Postkeynesianismus. Dabei muss betont werden, dass Postkeynesianer*innen sich weniger mit Umweltaspekten beschäftigt haben, sondern eher das Ziel verfolgten, Vollbeschäftigung durch Wirtschaftswachstum zu erlangen. Nichtsdestotrotz gewann das Thema der natürlichen Grenzen in den vergangenen Jahren mehr Aufmerksamkeit. Postkeynesianer*innen finden, dass Umweltökonomik zwar starke mikroökonomische Grundlagen hat, jedoch zu stark auf neoklassischer Makroökonomik aufbaut. Sie versuchen deshalb, postkeynesianische Makroökonomik in diese Analysen einzuführen.
Schließlich vermehrte sich die Vielfalt an Methoden zur Modellierung, die von Postkeynesianer*innen verwendet wird, beachtlich. Zum Beispiel hat die globale Finanzkrise das postkeynesianische Anliegen nachhaltig bestärkt, die wichtige Rolle von Geld und Finanzen in der Wirtschaft zu berücksichtigen. Dies gab dem stock-flow consistent modelling erneuten Aufwind. Umfassende SFC Modelle, die eine ganze Volkswirtschaft beschrieben, wurden entwickelt. Zudem gibt es Modelle zu offenen Volkswirtschaften, die internationalem Handel und Finanzen über mehrere Länder einschließen. Ein weiteres Feld mit neuen Entwicklungen, sind die agentenbasierten Modelle, die untersuchen wie komplexe Interaktionen auf der mikro-Ebene makroökonomische Ergebnisse beeinflussen. Da Postkeynesianer*innen erst kürzlich begannen, mit diesen Modellen zu arbeiten, befinden sie sich in einer frühen Phase. Andere Autor*innen beschäftigen sich mit Ungleichgewichten, Instabilität und wie sich die Wirtschaft über die Zeit von einem Gleichgewicht zu einem anderen bewegt. Dieses Forschungsfeld wendet zunehmend komplexe Modelle mit nicht-linearen Dynamiken an, für die es oft Computertechnologien braucht, um verschiedene mögliche Lösungen des Modells zu simulieren. Diese Modelle ermöglichen einen Einblick in mitunter chaotische Anpassungsprozesse, die in der realen Welt passieren und damit einen anderen Ansatz als ruhige und harmonische allgemeine Gleichgewichtsmodelle haben.
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Vertreter*in |
Fundamentalist*innen |
Fundamentale Unsicherheit Monetäre Produktionswirtschaft Finanzielle Instabilität Methodologie |
J.M. Keynes Hyman Minsky older Joan Robinson Sidney Weintraub |
Kaleckianer*innen |
Modelle zu Einkommen und Verteilung The traverse Effektive Nachfrage Klassenkonflikt Preisbildung |
Donald Harris Michal Kalecki younger Joan Robinson Joseph Steindl |
Sraffianer*innen |
Relative Preise Technische Entscheidung Multisektorale Produktionssysteme Kapitaltheorie Gemeinsame Produktion Long-run positions |
Krishna Bharadwaj Pierangelo Garegnani Luigi Pasinetti Pierro Sraffa |
Institutionalist*innen |
Preisbildung Theorie der Firma Monetäre Institutionen Verhaltensökonomik Arbeitsökonomik |
Alfred Eichner John Kenneth Galbraith N. Georgescu-Roegen Abba Lerner Thorstein Veblen |
Kaldorianer*innen |
Wirtschaftswachstum Produktionsregime Open economy constraints Real–financial nexus |
Wynne Godley Richard Goodwin Roy Harrod Nicholas Kaldor |
Quelle: Lavoie, 2014, p. 43.
Die postkeynesianische Schule setzt sich aus mehreren Unterschulen zusammen, deren jeweiliger Fokus auf unterschieden Phänomenen liegt, während sie in den folgenden wichtigen Schlüsselfragen übereinstimmen. Erstens sind Geldvariablen zentral dafür, die Wirtschaft zu verstehen. Zweitens bestimmt die effektive Nachfrage die Wirtschaft sowohl kurz- als auch langfristig. Drittens herrscht fundamentale Unsicherheit über die Zukunft, somit ist es unmöglich, verschiedenen Zukunftsszenarien Wahrscheinlichkeiten zuzuordnen. Viertens ist die Wirtschaft pfadabhängig, weswegen es kein vorbestimmtes Gleichgewicht gibt, an das sich die Wirtschaft annähert. Fünftens erachten alle Unterschulen Verteilungskonflikte als sehr einflussreich auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in der langen sowie in der kurzen Frist.
Sich zu stark auf Keynes als intellektuellen Gründungsvater zu berufen kann auch Nachteile haben und zu unfruchtbaren Diskussionen darüber führen, was Keynes denn wirklich gesagt hat bzw. was er denn nun wirklich zutreffend gesagt haben soll. Keynes Beiträge beruhten selbst auf neoklassischen Grundlagen, da er Alfred Marshalls Schüler war. Deswegen erachten manche Wirtschaftswissenschaftler*innen Kalecki - der bereits vor Keynes publizierte, zunächst aber nur auf Polnisch - als den eigentlichen Gründer des Postkeynesianismus, da seine Analysen weniger von der neoklassischen Theorie inspiriert waren.
Der Name Postkeynesianismus an sich verschleiert die Beiträge mehrerer einflussreicher Autor*innen aus verschiedenen Richtungen. Die sogenannten Fundamentalist*innen stützen ihre Theorie hauptsächlich auf Keynes selbst und konzentrieren sich auf die Themen der monetären Geldwirtschaft und finanzieller Instabilität. Sie lieferten wichtige Beiträge zum Verständnis der globalen Finanzkrise.
Kaleckianer*innen interessierten sich vor allem für Produktion und Beschäftigung, Konjunkturzyklen, Wachstumstheorie und Preise. Der Fokus der Sraffianer*innen liegt hingegen unter anderem auf relativen Preisen und Entscheidungstechniken. Unter den Institutionalist*innen befinden sich Autor*innen, die die institutionellen Rahmenbedingungen einer Volkswirtschaft betrachten. Diese Strömung schließt Minsky (zumindest teilweise), Verhaltensökonom*innen der postkeynesianischen Tradition sowie Vertreter*innen der Modern Money Theory mit ein, die sich stark auf die institutionellen Rahmenbedingungen von Regierungen, Banken und Zentralbanken fokussieren. Kaldorianer*innen beschäftigen sich insbesondere mit langfristigem Wachstum und weisen auf die Beschränkungen von offenen Volkswirtschaften in Bezug auf Wachstum hin, sowie auf die Rolle, die die ökonomische Struktur für Entwicklung spielt.
Postkeynsianismus hat Verbindungen zu mehreren heterodoxen Theorieschulen, insbesondere zu dem Marxismus und der Institutionenökonomik, welche ebenfalls die Mainstream-Ökonomik ablehnen. Sowohl in der MPÖ als auch im Postkeynesianismus ist das Analyseobjekt die kapitalistische Volkswirtschaft, in der die Beziehungen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen sowie das Streben nach Profit von zentraler Bedeutung sind. Zudem ist für beide Geld ein zentrales Element für die Analyse von inhärent instabilen kapitalistischen Volkswirtschaften. Außerdem lehnen beide Schulen das Saysche Theorem ab, obwohl dies bei einigen Marxist*innen nur für die kurze Frist zutrifft. Jedoch gibt es auch wichtige Unstimmigkeiten zwischen den zwei Paradigmen. Die meisten Postkeynesianer*innen lehnen die marxistische Arbeitswerttheorie ab oder erachten sie als eher unbrauchbares Konzept. Die marxistische Vorstellung eines tendenziellen Falls der Profitrate ist eine weitere Schwachstelle (in den Augen der PKE). Beide Beispiele weisen auf Unterschiede hinsichtlich der methodologischen, ontologischen und epistemologischen Sichtweisen und Auffassungen hin. Die Verbindungen zwischen Postkeynesianismus und Institutionenökonomik sind sehr stark, vielleicht sogar stärker als diejenigen mit der MPÖ. Postkeynesianismus und die Institutionenökonomik betonen beide die Wichtigkeit von sozialen Normen, Konventionen und der Bildung von Gewohnheiten für das individuelle Verhalten. Tatsächlich, verwendet der Postkeynesianismus viele mikroökonomische Analysen und sozio-politische Aspekte der Institutionenökonomik. Jedoch gibt es auch hier wichtige Unterschiede zwischen beiden Schulen, insbesondere hinsichtlich ihrer Methodologie. Zum Beispiel lehnen viele Vertreter*innen der Instutionenökonomik formale und ökonometrische Modellierungen, die im Postkeynesianismus vorzufinden sind, ab.
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Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Postkeynesianismus und die Mainstream-VWL sich hinsichtlicher ihrere Epistemologie, Ontologie, ihrem Verständnis von Rationalität, ihrer Methoden sowie hinsichtlich ihres ökonomischen und politischen Kerns unterscheiden.
Während Postkeynesianismus der Perspektive des Realismus folgt, dem es darum geht relevante Geschichten über die Wirtschaft zu erzählen, die auf realen Fakten beruhen, folgt der Mainstream der Perspektive des Instrumentalismus, dem es nicht darum geht inwieweit die Annahmen die Realität wiederspiegeln solange es möglich ist, genaue Vorhersagen zu treffen. Deswegen kann letzterer das Konzept des vollständig optimierenden Agenten anwenden. Dieser homo oeconomicus ermöglicht ihm, scheinbar angemessene Vorhersagen über zukünftige Entwicklungen der Volkswirtschaft zu treffen, ohne zu berücksichtigen, dass Menschen sich nicht dem Konzept entsprechend verhalten. Im Gegensatz dazu, verwendet der Postkeynesianismus das Konzept der satisficing agents (Agenten, die ihre Ansprüche erfüllen). Diese folgen Faustregeln und treffen unter fundamentaler Unsicherheit Entscheidungen, die zu ihrem Umfeld passen. Die Methode des Postkeynesianismus folgt dem Holismus, der anerkennt, dass Menschen soziale Wesen sind, die in einem komplexen System leben, das beispielsweise von Institutionen, Gender und Kultur geprägt ist. Aus dieser Perspektive kann vernünftiges Verhalten auf der Mikroebene zu unerwünschten Konsequenzen auf der Makroebene führen (siehe die Paradoxien oben). Der Mainstream folgt der Idee des Individualismus, in der individuelles Verhalten auf der Makroebene aggregiert wird, wobei jegliche mikro-makro Paradoxien im Vorhinein ausgeschlossen werden.
Der ökonomische Kern der Mainstream-Ökonomik ist die Knappheit von Ressourcen, Kapital und Arbeit. Deswegen konzentriert sie sich auf die Allokation dieser Ressourcen und sieht deshalb Preise als ein Indikator von Knappheit. Der Empirie folgend, nimmt der Postkeynesianismus an, dass die Wirtschaft normalerweise unterhalb ihrer möglichen Kapazitäten läuft, was sich in der Ansicht einer Wirtschaft im Überfluss widerspiegelt. Sein Hauptanliegen ist es stattdessen herauszufinden, wie die freie Arbeit und das freie Kapital eingesetzt werden können. Preise werden hingegen als die Stückkosten der Herstellung verstanden.
Zuletzt basiert der politische Kern der Mainstream-Ökonomik auf dem Glauben, dass unregulierte Märkte zu einer optimalen Allokation der Ressourcen führen. Im Gegensatz dazu erkennt der Postkeynesianismus zwar die positiven unternehmerischen Effekte an, ist jedoch sehr skeptisch gegenüber freien Märkten und tendiert viel stärker zu strenger Regulierung.
Fontana, G.; Sawyer, M. (2015): Towards post-Keynesian ecological macroeconomics. Ecological Economics (121), pp. 186-195.
Godley, W., Lavoie, M. (2007): Monetary Economics: An Integrated Approach to Credit, Money, Income, Production and Wealth. New York: Palgrave Macmillan.
Hein, E. (2016): Post-Keynesian macroeconomics since the mid-1990s – main developments. IPE Working Paper No. 75/2016.
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Text- und Handbücher:
Titel | Dozent*in | Anbieter | Start | Level |
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Economics of Money and Banking | Perry Mehrling | Columbia University | immer | leicht |
Advanced Political Economy Lectures | Steve Keen | University of Western Sydney | always | mittel |
Behavioural Finance Lectures | Steve Keen | University of Western Sydney | flexibel | mittel |
Economics from a pluralist perspective | Prof. Dr. Irene van Staveren, Prof. Dr. Rob van Tulder, Maria Dafnomili (PhD re… | Erasmus University Rotterdam | immer | leicht |
An Introduction to Political Economy and Economics | Dr Tim Thornton | n.a. | 2022-01-30 | leicht |
Makroökonomische Modelle - Ein multiparadigmatischer Überblick | Claudius Gräbner | University of Duisburg-Essen | immer | mittel |
Introducción a la economía | Juan Manuel Telechea | - | immer | leicht |
Readyfor55 - Wirtschaftspolitik auf dem Weg zur Klimaneutralität | Zertifikatsprojekt, Netzwerk Plurale Ökonomik | - | ohne | leicht |
Ökonomie der internationalen Entwicklung. Eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre
Publikationsjahr: 2012
Mandelbaum
Introduction to Post-Keynesian Economics
Publikationsjahr: 2009
Palgrave Macmillan
The Elgar Companion to Post Keynesian Economics
Publikationsjahr: 2012
Edward Elgar Publishing
The Oxford Handbook of Post-Keynesian Economic
Publikationsjahr: 2013
Oxford University Press