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Erstveröffentlichung im Makronom
Direkt bei ihrem Amtsantritt Ende 2019 machte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutlich, was aus ihrer Sicht die beiden großen Herausforderungen für die Europäische Union sind: die Digitalisierung und der Klimawandel. Und sie ist damit nicht allein: Auch in nationalen Debatten in Deutschland und anderswo stehen diese beiden Themen immer wieder an vorderster Stelle.
Was folgt aus der Klimakrise für unsere Wirtschaft(sweisen) und das Denken darüber? Im Angesicht der Fridays-for-Future-Proteste hat sich aus dem Netzwerk Plurale Ökonomik eine neue Initiative herausgebildet: Economists for Future. Mit der gleichnamigen Debattenreihe werden zentrale Fragen einer zukunftsfähigen Wirtschaft in den Fokus gerückt. Im Zentrum stehen nicht nur kritische Auseinandersetzungen mit dem Status Quo der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch mögliche Wege und angemessene Antworten auf die dringlichen Herausforderungen und Notwendigkeiten. Dabei werden verschiedene Orientierungspunkte für einen tiefgreifenden Strukturwandel diskutiert.
Noch vor ein paar Jahren herrschte auf Tagungen und Podien zum Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit vor allem Optimismus vor: Digitale Tools sollten Produktionsprozesse effizienter machen, Logistik optimieren und unseren Alltag dematerialisieren – denn Digitales schien immateriell. Inzwischen ist die Diskussion einen Schritt weitergekommen – und etwas weniger optimistisch.
Spätestens seit dem großen zivilgesellschaftlichen Kongress Bits & Bäume von 2018 ist im öffentlichen Diskurs verankert, dass die Digitalisierung nicht nur Chancen, sondern auch massive Risiken für die ökologische Nachhaltigkeit birgt. Denn die Produktion und Nutzung von Smartphones, Tablets, Robotern und Server-Parks benötigen Energie und Ressourcen. Hinzu kommt, dass digitale Möglichkeiten Produktion und Konsum anregen und auf diesem Wege ökologische Belastungen erhöhen. Der Energieverbrauch des Internets macht heute bereits rund 10% der weltweiten Stromnachfrage aus und könnte bis zum Jahr 2030 auf 30 oder gar 50% ansteigen, je nachdem, wie stark wir unser Leben und unsere Wirtschaft durchdigitalisieren.
Digitalisierung erhöht die Treibhausgasemissionen, solange nicht vollständig auf grünen Strom gesetzt wird
Theoretisch könnte die Digitalisierung die Effizienz anderer Produktionsprozesse zugleich so stark verbessern, dass der Stromverbrauch insgesamt sinkt. Empirische Funde belegen leider das Gegenteil – mehr Digitalisierung bedeutet für eine Volkswirtschaft insgesamt mehr Stromverbrauch (Lange et al., 2020; Salahuddin & Alam, 2016; Schulte et al., 2016). Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die Digitalisierung mit einer Verringerung des nicht-elektrischen Energieverbrauchs (am wichtigsten ist hier der Ölverbrauch) einhergeht – während der Stromverbrauch gesamtwirtschaftlich steigt. In einer noch unveröffentlichten Studie haben wir auch den Nettoeffekt der Digitalisierung auf die CO2-Emissionen untersucht. Das Ergebnis: Digitalisierung erhöht die Treibhausgasemissionen, solange nicht vollständig auf grünen Strom gesetzt wird.
Die Digitalisierung führt zu einer grundlegenden Transformation der Produktionsstrukturen, der Infrastrukturen und der Konsummuster. Dabei hat sie bisher nicht zu den erhofften positiven ökologischen Effekten geführt. Klar ist aber: Der Prozess der digitalen Transformation wird weiter voranschreiten und die Zukunft der Ökonomie digital sein. Daher muss die digitale Transformation in den ökologischen Grenzen bleiben, soziale Probleme vermeiden (z. B. in den Lieferländern für die notwendigen Rohstoffe) und überzeugende Antworten auf die Fragen der Datensicherheit und des Dateneigentums finden – kurzum: Die Digitalisierung muss nachhaltig sein.
Unabhängig von der digitalen Transformation ist klar, dass es dringend einer grundlegenden nachhaltigen Transformation bedarf, um wirklich nachhaltig leben und produzieren zu können. Beim Klimawandel ist die Erkenntnis, dass dringender Handlungsbedarf besteht, in der Gesellschaft bereits breit verankert. Aber nicht nur der Klimawandel erfordert Veränderungen. Die ökologischen Belastungsgrenzen zeigen sich u. a. auch beim Verlust von Biodiversität und der nicht-nachhaltigen Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen. Neben den ökologischen Belastungsgrenzen mahnen auch drängende soziale Fragen sowie die Idee globaler und generationenübergreifender Gerechtigkeit zu grundlegenden Änderungen.
Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssen als grundlegende Transformationen zusammen gedacht werden
Mit der Digitalisierung gehen für die Nachhaltigkeitstransformation Chancen einher, da sich Infrastrukturen und Produktionsstrukturen massiv verändern. Dabei ist es wichtig, jetzt – zu Beginn der digitalen Transformation – die richtigen Weichen zu stellen und die digitale Infrastruktur mit der nötigen Infrastruktur für die Nachhaltigkeitstransformation zu verknüpfen. Darüber hinaus sollten digitale Lösungen aktiv genutzt werden, um Politiken und deren Umsetzung so zu gestalten, dass nachhaltige Lösungen schneller und wirksamer Realität und die zentralen Erfolgsfaktoren für gesellschaftlichen Wandel konsequent in der Praxis angewendet werden.
Das Resümee ist: Digitalisierung und Nachhaltigkeit müssen als grundlegende Transformationen zusammen gedacht werden. Die Digitalisierung darf keine nicht vertretbaren Folgen für Umwelt und Menschen haben. Die sozial-ökologische Transformation gelingt nur, wenn der laufende digitale Strukturwandel nachhaltig gestaltet wird und digitale Möglichkeiten genutzt werden, um Nachhaltigkeit voran zu bringen.
Konkret bedarf es der Entwicklung von Maßnahmen und Instrumenten, die beide Transformationen gleichermaßen adressieren und gemeinsam gestalten. Die Akteure der beiden Transformationen müssen sich dafür gut kennen und die jeweils andere Transformation mitdenken können. Dafür gibt es schon einige Ansätze – seien es Veranstaltungen wie Bits & Bäume, die umweltpolitische Digitalagenda oder der Überblick über gemeinsame Ansatzpunkte (z. B. Bits & Bäume 2018, BMU 2020, Umweltbundesamt 2019).
Im Entdecken Bereich haben wir hunderte Materialen z. B. Videos, Texte und Podcasts zu ökonomischen Themen gesammelt. Außerdem kannst du selber Material vorschlagen!
Mit Blick in die Zukunft müssen wir den Zusammenhang zwischen der digitalen und der Nachhaltigkeitstransformation allerdings noch einen Schritt weiterdenken. Denn in der Nachhaltigkeitsdebatte wird immer deutlicher, dass wir wachstumsunabhängige Institutionen benötigen, um die Transformation einleiten und umsetzen zu können. Die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen verschärfen in einigen Aspekten die Notwendigkeit für eine wachstumsunabhängige Gestaltung der Wirtschaft und der gesellschaftlichen Institutionen. Gleichzeitig können digitale Technologien wachstumsunabhängige und resiliente Strukturen erleichtern.
Doch zunächst zur Frage, weshalb Wachstumsunabhängigkeit notwendig und sinnvoll ist. Die Diskussion, ob weiteres Wirtschaftswachstum in Ländern mit hohem Einkommen mit Umweltzielen vereinbar ist, hat eine lange Tradition. Während es bis vor kurzem noch eine verhältnismäßig abstrakte Debatte war, macht das schrumpfende Treibhausgasbudget sie sehr konkret und gibt ihr eine neue Dynamik. Dies lässt sich am besten an den IPCC-Szenarien ablesen. In diesen Szenarien ist eine außerordentlich große Menge von sogenannten Carbon-Capture-Technologien notwendig, da von kontinuierlichem Wirtschaftswachstum ausgegangen wird. Ein Verzicht auf diese Annahme würde den Bedarf an den (unrealistisch) optimistischen Hoffnungen hinsichtlich technologischer Entwicklungen in der Zukunft verringern.
Aus diesem Grund wurde in den letzten Jahren das Konzept der Wachstumsunabhängigkeit entwickelt. Es beschreibt das Ziel, wirtschaftliche und gesellschaftliche Institutionen so umzugestalten, dass sie auch dann funktionieren, wenn die Wirtschaft nicht wächst. Dies erleichtert die Einführung umweltpolitischer Maßnahmen, auch wenn diese das Wirtschaftswachstum verringern könnten.
Das Zusammenspiel zwischen digitaler und Nachhaltigkeitstransformation sollte vor dem Hintergrund der Wachstumsunabhängigkeit gedacht und gestaltet werden: Wie verändert die Digitalisierung die Abhängigkeiten verschiedener gesellschaftlicher Institutionen vom Wirtschaftswachstum? Wie verändern sich die Konzepte für Wachstumsunabhängigkeit, wenn man die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungsprozesse betrachtet?
Die digitale Transformation, die Nachhaltigkeitstransformation und der Umbau gesellschaftlicher Institutionen hin zu Wachstumsunabhängigkeit bedürfen gemeinsamer Strategien. Die folgende Abbildung veranschaulicht das Zusammenspiel der drei Aspekte:
Der Weg symbolisiert die digitale Transformation. An der Weggabelung entscheidet sich, in welche Richtung es bei der Gestaltung der Digitalisierung geht. Je nachdem führt sie zur Nachhaltigkeitstransformation oder in sozial-ökologische Krisen. Entscheidend für die Beschreitung des Weges zur Nachhaltigkeitstransformation ist die Umsetzung der Wachstumsunabhängigkeit, anstatt weiterhin am Wirtschaftswachstum als wirtschaftspolitischem Ziel festzuhalten.
Neben dieser allgemeinen Darstellung der Zusammenhänge zwischen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Wachstumsunabhängigkeit lassen sich die Interdependenzen in sieben gesellschaftlichen Bereichen konkretisieren:
Die Frage lautet hier: Wie kann Arbeit und Einkommen in einer digitalen und globalisierten Ökonomie jenseits des Wachstums gerecht organisiert werden? Erste Lösungsansätze lassen sich aus der Nachhaltigkeitsdebatte ziehen. Eine stärkere Besteuerung von Umweltfaktoren und eine steuerliche und abgabentechnische Entlastung des Faktors Arbeit würden nicht nur zu Umweltentlastungen, sondern auch zu mehr Arbeitsplätzen führen.
Auch der Effekt der Digitalisierung ist unklar. Auf der einen Seite bewirkt sie bisher eine Verschlechterung der Finanzierungssituation der Sozialversicherungssysteme, da Lohneinkommen relativ zu Kapitaleinkommen sinken. Auf der anderen Seite weiß niemand, welche Effekte die Digitalisierung entfalten würde, wenn die für eine ökologische Transformation notwendigen ökonomischen Rahmenbedingungen eingeführt werden.
Denkt man hier Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Wachstumsunabhängigkeit zusammen, erscheint eine stärkere Finanzierung durch andere Mittel als Lohneinkommen als sinnvoll – beispielsweise aus Kapitaleinkommen oder Einnahmen aus Ökosteuern. Dennoch bleibt die Frage zu beantworten, wie wachstumsunabhängige Sozialsicherungssysteme in Gesellschaften aussehen könnten, die eine digitale und ökologische Transformation verbinden.
Aus der Diskussion zu Wachstumsunabhängigkeit wissen wir, dass es zusätzlich einer Suffizienz-Strategie, d. h. einer Reduktion von Produktion und Konsum, bedarf und Unternehmen, die statt auf Expansion auf Gemeinwohl, gute Arbeitsqualität und wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit setzen. Die Digitalisierung könnte hier ebenfalls helfen, wenn sie Kostendegressionseffekte (Skaleneffekte) verringert und es dadurch Unternehmen erlaubt, auch mit geringerer Stückzahl wettbewerbsfähig zu sein. Die Frage ist, wie Unternehmens- und Produktionsstrukturen ermöglicht werden können, die digitale Möglichkeiten nutzen, nachhaltig produzieren und suffiziente Konsummuster fördern.
Diese Vernetzungen gilt es konsequent und schnell auf immer mehr Akteure auszudehnen. Ziel ist es, sehr breit gemeinsam zusammenzuarbeiten und die notwendigen Kompetenzen zu erwerben. Wenn es nämlich z. B. nicht zum Normalfall wird, bei der Entwicklung neuer digitaler Lösungen Nachhaltigkeitsaspekte konsequent mitzudenken, werden nicht-nachhaltige Produkte, Dienstleistungen, Produktionsstrukturen und Infrastrukturen die Folge sein. Für den Kompetenzerwerb für beide Transformationen und deren Verbindung ist die schulische, betriebliche und universitäre Aus-, Weiter- und Fortbildung gleichermaßen zentral.
Kora Kristof ist Leiterin der Abteilung “Nachhaltigkeitsstrategien, Ressourcenschonung und Instrumente” des Umweltbundesamtes. Sie ist Dipl.-Volkswirtin, hat zu einer energiewirtschaftlichen Frage promoviert, zu erfolgreichen Wegen zum Wandel habilitiert und ist eine Pionierin der Transformationsforschung sowie deren Anwendung in der Praxis.
Steffen Lange ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, affiliated scholar der Arbeitsgruppe Ressourcenökonomik der Humboldt-Universität Berlin und am Fachgebiet Sozial-ökologische Transformation der Technischen Universität Berlin assoziiert. Er studierte Volkswirtschaftslehre in Maastricht, Santiago de Chile und Göttingen und promovierte an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg.