Stickeraktion: Mit neuem Nationalismus aus der Wirtschaftskrise?

Netzwerk Plurale Ökonomik e.V. , 2018
Level: leicht
Perspektive: Diverse
Thema: Krisen
Format: Infografik

In Europa und den USA können spätestens seit 2016 vermehrt Wahlerfolge rechter und offen nationalistischer Parteien festgestellt werden. Marine Le Pen in Frankreich, Norbert Hofer in Österreich, Jarosław Kaczyński in Polen, Donald Trump in den USA und die AfD in Deutschland sind die bekanntesten Vertreter*innen. Gleichzeitig sind die ökonomischen Aussichten weiterhin „bescheiden“: die Ungleichheit nimmt zu, das Wirtschaftswachstum stagniert, die Schulden steigen weiter. Dabei scheinen gerade die Leidtragenden der Wirtschaftskrise nationalistische Parteien zu bevorzugen: überproportional viele Arbeiter*innen haben beispielsweise in Österreich Norbert Hofer gewählt, Verlierer von Globalisierungsprozessen wählen auch eher nationalistische Parteien - einen Überblick über die ökonomischen Erklärungen für den Aufstieg von rechten Populismus bietet Rodrik (2017). Eine ähnliche Hinwendung zu radikalen rechten Parteien konnte mit Blick auf die Historie auch schon in den 1930er Jahren beobachtet werden - zu dem Zusammenhang von Krisen und den Erfolgen rechter Parteien siehe Funke et al. (2016). Wenig verwunderlich stellt sich die Frage nach einem Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen – Krise und Nationalismus.

Dabei fällt vor allem die nationale Deutung der Krise in der öffentlichen Debatte vor allem in Deutschland auf, die Diskursen nach 2008 über Konstruktionsfehler der Europäischen Union oder des internationalen Finanzsystem oder gar dem Wirtschaftssystem als Ganzes den Rang abgelaufen hat: so gibt es in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit die Überzeugung, dass die relativ gute Position Deutschlands vor allem auf nationale Anstrengungen (wie z.B. durch den Titel „Exportweltmeister“ oder einer Sozialgesetzgebung a la Hartz IV) zurückzuführen sei. Thomas Piketty spricht in Bezug auf solche Erklärungen und Ziele von einem „soften Nationalismus“ (Die Welt 02.07.2016). Eine solche nationale Antwort erlaubt auch einfacher über Ungleichheiten hinwegzusehen, da ja die „imaginierte politische Gemeinschaft“ (Benedict Anderson) der Nation gut dasteht. Für die Staaten, die stärker negativ von der Wirtschaftskrise betroffen sind, liegen die Ursachen dann entsprechend dieses Narrativs in unzureichenden Bemühungen – es sei hier nur an die „faulen Griechen“ (wer hat es gesagt? Die Bild oder Wolfgang Schäuble?) und den Titel des Spiegels „Unsere Griechen – Annäherung an ein seltsames Volk“ erinnert. Es zeigt sich eine Verschiebung weg von einem Diskurs über etwaige Probleme des Kapitalismus und dessen Krisenanfälligkeit hinzu nationalistischen Diskursen, die eine Büchse der Pandora mit AfD und co öffnet. Politiken, die dieser nationalen Deutung des Krisendiskurses entsprechen, münden in neo-kolonialen Verhältnissen (auch schon im 19. Jahrhundert gingen Nationalismus und Kolonialismus Hand in Hand), zwischen der Troika und Griechenland. Genau diese nationale diskursive Verschiebung bietet neben anderen Faktoren einen Nährboden für weitere Radikalisierungen a la AfD und co, die diese Debatten dann nur noch radikalisieren.

 

Die Stickeraktion wurde von der Gruppe Was ist Ökonomie? initiiert und für das Netzwerk Plurale Ökonomik erstellt. Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung des Projekts an das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. 

 

Noch Fragen?

1. Wann kommt die nächste Krise, Herr Professor*?

2. Grenzenloses Kapital? Grenzenlose Arbeit? Grenzenlose Freiheit?

3. Markt United vs. FC Staat: Wer gewinnt?

4. Krise?

5. Ein Ökonom kommt in eine Krise: Was tut er?

6. Mit neuem Nationalismus aus der Wirtschaftskrise?

7. Mit Green Growth die Welt retten?

8. Wen trifft die Krise?

9. Hat Griechenland Schuld(en)?

10. Wie viele Theorieschulen gibt es eigentlich in der VWL?

11. Werde ich durch das VWL Studium egoistischer?

12. Ist der repräsentative Agent männlich oder weiblich?

13. Was ist mit ökonomischen Inhalten, die nicht in Matheformeln passen?

14. Wieso sehen meine VWL-Professor*innen auch dort Gleichgewichte, wo keine sind?

15. Hat Geld wirklich keinen Einfluss auf die reale Wirtschaft?

16. Wieso nimmt mein VWL-Professor andere Sozialwissenschaften nicht ernst?

17. Wie funktionieren eigentlich andere Wirtschaftssysteme?

18. Warum sind meine VWL-Professoren fast nur männlich?

19. Wieso kennen meine VWL-Modelle keine Geschichte?

20. Studiere ich VWL oder Neoklassik?

 

Literatur

Friedrich, Sebastian und Patrick Schreiner (eds.) (2013) Nation – Ausgrenzung – Krise: Kritische Perspektiven auf Europa. Edition Assemblage, Münster.

Funke, Manuel, Moritz Schularick und Christian Trebesch (2016). Going to Extremes: Politics after Financial Crises, 1870-2014. European Economic Review 88, 227-260.

Lewandowsky, Marcel und Jasmin Siri (2016) Rechtspopulismus in Europa: Überblick und eine Bestandsaufnahme. Kursbuch 186, 3-22.

Rodrik, Dani (2018) Populism and the Economics of Globalization. Journal of International Business Policy.

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