Stickeraktion: Was ist mit ökonomischen Inhalten, die nicht in Matheformeln passen?

Netzwerk Plurale Ökonomik e.V. , 2018
Niveau: débutant
Perspective: Autre
Sujet: Réflexion sur l'économie
Format: Infographie

Ökonomische Fragestellungen und Inhalte, die nicht in mathematischen Formeln ausgedrückt werden können, sind in der Regel nicht Gegenstand des VWL-Studiums. Tony Lawson – ein prominenter Kritiker der modernen VWL – sieht in der fehlenden Akzeptanz, ökonomische Phänomene ohne Formeln auszudrücken, einen großen Fehler (Lawson 2003, 2012). Seiner Ansicht nach fehle der VWL dadurch der social realism und die sie verharre folglich in einer ideology of formalism. Die Volkswirtschaftslehre, wie sie heute in Forschung und Lehre verstanden wird, definiert sich also über die formale Methode und nicht über den Gegenstand, die Ökonomie selbst. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass ein formaler Ansatz nicht seine Berechtigung hat. Vielmehr geht es darum, dass auch andere methodische Ansätze gelehrt und verwendet werden.

Denn die Beschränkung auf formale Methoden grenzt auch die Auswahl der Themen ein: Machtkonstellationen, etwa zwischen den Geschlechtern, oder die gegenseitige Beeinflussung von Marktwirtschaft und Gesellschaft geraten so aus dem Blick der Mainstream-VWL. Solche Inhalte mit klarem ökonomischen Bezug können aber mit anderen (qualitativen) Methoden, wie Experteninterviews, Fokusgruppen und Diskursanalyse, untersucht werden. Diese finden sich oftmals an sozialwissenschaftlichen Fakultäten, weshalb sich ein ausgiebiger Blick ins Vorleungsverzeichnis empfiehlt.

Und der übermäßige Gebrauch von mathematischen Methoden wird auch von einigen Mainstream-Ökonom*innen als problematisch angesehen: Der Makroökonom Paul Romer hat jüngst eine Debatte zur „Mathiness“ in der Wachstumtheorie angestoßen, indem er den Trend zu höherer Mathematik als Möglichkeit beliebige Resultate zu erzeugen bezeichnet hat. Die Modelle werden zu mathematischen Fabeln, deren Inhalt nur durch die Imagination und Weltsicht ihres Erschaffers begrenzt sind.

Gleichzeitig ist jedoch zu beobachten, dass die Bedeutung formaler Modelle in der Forschung abnimmt. Evidenz dafür ist, dass immer weniger solcher Artikel veröffentlicht werden und stattdessen der Anteil empirischer Arbeiten zunimmt. In der wirtschaftswissenschaftlichenLehre ist dies jedoch noch zu wenig angekommen.

 

Die Stickeraktion wurde von der Gruppe Was ist Ökonomie? initiiert und für das Netzwerk Plurale Ökonomik erstellt. Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung des Projekts an das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. 

 

Noch Fragen?

1. Wann kommt die nächste Krise, Herr Professor*?

2. Grenzenloses Kapital? Grenzenlose Arbeit? Grenzenlose Freiheit?

3. Markt United vs. FC Staat: Wer gewinnt?

4. Krise?

5. Ein Ökonom kommt in eine Krise: Was tut er?

6. Mit neuem Nationalismus aus der Wirtschaftskrise?

7. Mit Green Growth die Welt retten?

8. Wen trifft die Krise?

9. Hat Griechenland Schuld(en)?

10. Wie viele Theorieschulen gibt es eigentlich in der VWL?

11. Werde ich durch das VWL Studium egoistischer?

12. Ist der repräsentative Agent männlich oder weiblich?

13. Was ist mit ökonomischen Inhalten, die nicht in Matheformeln passen?

14. Wieso sehen meine VWL-Professor*innen auch dort Gleichgewichte, wo keine sind?

15. Hat Geld wirklich keinen Einfluss auf die reale Wirtschaft?

16. Wieso nimmt mein VWL-Professor andere Sozialwissenschaften nicht ernst?

17. Wie funktionieren eigentlich andere Wirtschaftssysteme?

18. Warum sind meine VWL-Professoren fast nur männlich?

19. Wieso kennen meine VWL-Modelle keine Geschichte?

20. Studiere ich VWL oder Neoklassik?

 

Literatur

Lawson, Tony (2012): Mathematical Modelling and Ideology in the Economics Academy: Competing explanations of the failings of the modern discipline?. In: Economic Thought Vol 1, No 1, 2012.

Lawson, Tony (2012): Ontology and the Study of Social Reality: Emergence, Organisation, Community, Power, Social Relations, Corporations, Artefacts and Money. Cambridge Journal of Economics, 36:2

Kapeller, Jakob; Steinerberger, Stefan (2013): How Formalism shapes Perception: An Experiment on Mathematics as a Language.International Journal of Pluralism and Economics Education, Vol. 4(2): 138-156.

Romer, Paul (2015): Mathiness in the Theory of Economic Growth. American Economic Review 105(5): 89-93.

Schlagwörter: mainstream critique | maths

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