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Erstveröffentlichung in der Frankfurter Rundschau am 12.12.2024
Alle sprechen über die Schuldenbremse. Lasst uns endlich auch über Gender Budgeting reden! Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Lina Andres.
Als Netzwerk Plurale Ökonomik ist es unser Ziel, die Vielfalt ökonomischer Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Deshalb veröffentlichen wir seit 2014 eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau, in der wir aktuelle gesellschaftliche Themen aus der Perspektive der Pluralen Ökonomik beleuchten.
Die Debatte um die Schuldenbremse ist wieder allgegenwärtig. Aber wann und ob eine Reform kommt, ist unklar. Es bleibt dabei, dass erneut um die Verteilung gerungen wird. Wer bekommt welches Stück vom Kuchen?
Das ist ein guter Moment, um über Gender Budgeting zu reden. Dieses Instrument analysiert, wie öffentliche Gelder verteilt werden können, um die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Was auf den ersten Blick wie trockene und abstrakte Zahlen wirkt, verrät viel darüber, welche politischen Prioritäten gesetzt werden. Wohin unsere Steuergelder fließen, beeinflusst unser Leben direkt. Der Bundeshaushalt ist eine mächtige Stellschraube für gesellschaftliche Veränderungen.
Zahlen wirken oft neutral, doch in der Praxis profitieren nicht alle gleichermaßen. Ein Beispiel: Der Staat gab rund 440 Milliarden Euro für Corona-Hilfen aus – das ist in etwa so viel wie der ganze Bundeshaushalt. Diese Hilfen kamen jedoch nicht allen gleich zugute. Denn in den Branchen, die besonders stark gefördert wurden, sind mehr Männer beschäftigt, etwa in der Autoindustrie. Zudem orientierte sich die Höhe des Kurzarbeitergeldes – der zentralen Direkthilfe in Deutschland – am Nettolohn. Da Frauen unter anderem durch das Ehegattensplitting oft niedrigere Nettolöhne haben, erhielten sie entsprechend weniger Unterstützung. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Klar ist: Diese Effekte hätten durch Gender Budgeting ausgeglichen werden können.
Andere Länder machen es vor. Australien nutzt Gender Budgeting seit den 1980er-Jahren, Österreich gilt als Vorreiterin. Deutschland gibt internationale Empfehlungen, setzt es aber selbst nicht ein. Dabei bringt es nicht nur mehr Gerechtigkeit, sondern auch wirtschaftliche Vorteile.
Eine regelmäßige Analyse deckt auf, wo Gelder ineffizient fließen, und verbessert die Ausgaben. Mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung erhöht die Zahl der Frauen in gut bezahlten Berufen, etwa in IT und Naturwissenschaften. Die Gesundheit von Kindern verbessert sich, und das Bruttoinlandsprodukt wächst.
Gender Budgeting schafft Gerechtigkeit und stärkt die Wirtschaft. Zeit also, dass Frauen und Mädchen mehr vom Kuchen abbekommen.
Lina Andres ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Mitglied im Netzwerk Plurale Ökonomik.